Dienstag, 17. Juni 2008

Masken

Nach aussenhin mag es auf viele Menschen so wirken, als käme ich mit dem Tod meines Simons ganz gut zurecht. Aber nur ich selber weiß, dass diese Trauer dauern wird bis zu meinem eigenen Tod, bis zum Wiedersehen mit Simon.

„Nach dem Tod eines Kindes bleibt eine Ruine. Aus dieser versuchen Eltern etwas Neues zu bauen. Dabei drehen und wenden sie jeden Stein ..." (A.Siewert, "Und ihr Lächeln ist immer noch vertraut“)

Einige Steine habe ich schon übereinander türmen können, einiges hat vielleicht schon Konturen, aber ein Neues, Ganzes ...?
Solange leid tragende Trauer in der Gesellschaft als störend empfunden wird, wird es schwer mit dem Neugestalten. Immer wird lebenslange Trauer, auch wenn verändert, auf unserem Lebensweg liegen.

Doch ist es wichtig, Bausteine zu sammeln, sie zu drehen und zu wenden. Viele Bausteine werden benötigt und ebenso viele Zulieferer, doch die sind selten geworden. Viele Menschen in meinem Umfeld wissen nicht, dass sie Zulieferer sein könnten. Auch kleine Bausteine sind wichtig für einen Neuaufbau der verletzten Seelen. Manchmal müssen auch erneut Risse hingenommen werden, weil in unserem Umfeld davon ausgegangen wird, dass Tod und Trauer um unser totes Kind endgültig abgeschlossen zu sein hat.
Aber wir, die wir unsere Kinder verloren haben, sind verändert. Wir leben in einer anderen Welt, einer Welt, die viele um uns herum zum Glück nicht kennen, vielleicht der eine oder andere erahnen kann, wenn er sich darum bemüht.

Sie können und müssen uns nicht verstehen. Wir müssen verstehen, dass sie es nicht können und einige auch nicht wollen.

Es gab und gibt Situationen, die ich nur mit meiner Maske überstanden habe. Das sind dann aber auch die Menschen, die gar nicht bemerken, dass das ich nicht wirklich ich bin. Ich glaube, sie könnten mich ohne Maske gar nicht ertragen.


Manchmal brauchen wir Masken
für das alltägliche Rollenspiel,
um funktionieren zu können,
wie es von uns erwartet wird.

Manchmal brauchen wir Masken,
um unser wahres Gesicht,
unser verletzliches Inneres
nach außen hin zu schützen.

Manchmal sehnen wir uns danach,
unsere Masken abnehmen zu können,
endlich wir selbst sein zu dürfen
und als solche geliebt zu sein.

Noch immer bin ich auf der Suche nach einem lebbaren Leben und auch das wird wohl den Rest meines Lebens so bleiben. Manchmal hat man lebbare Zeiten, Zeiten zum Durchatmen und Krafttanken. Dann liegt wieder ein schier unüberwindbarer Felsbrocken auf dem Weg und von denen gab es, in fast 3 Jahren, jede Menge. Es wäre so leicht einfach aufzugeben, weil man keine Kraft mehr hat, als sich stets von neuem aufzumachen, einen Weg zu suchen.

Einen Weg suchen,
nicht zu steil, damit er einem
nicht den Atem nimmt.

Einen Weg suchen,
nicht zu weit, damit er einem
nicht die Kräfte raubt.

Einen Weg suchen,
der nach vorn führt,
ein kleines Stück weit an jedem Tag,

einen Weg, der ganz
dir selbst entspricht,
hin zu dem Haus,
an dessen Tür „Heimat“
geschrieben steht.

(Marion, Mama von Jessica Anders die mir so sehr aus der Seele sprechen)

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