Sonntag, 18. März 2007

Amputationen

... ich fühle ich mich wie amputiert

Fehlt mir ein Bein???
Ich kann nicht mehr zu dir gehen. So gerne würde ich dich besuchen,
heimlich in dein Zimmer schleichen und zu sehen was du machst.
Das Zimmer das du so eingerichtet hast wie du es wolltest.
- Nein, kein Besuch mehr. Du gehst nirgendwo mehr hin. Und mich
zieht es immer wieder zum Friedhof. Ich stehe an deinem Grab und
frage mich, was ich hier mache.


Fehlt mir ein Arm???
Ich kann dich nicht mehr umarmen. Warum habe ich das eigentlich
nicht öfter gemacht, als du noch lebtest?
Wie das lezte Mal in der Küche an meinem Geburtstag, wo ich dich
innig umarmt habe und du es zugelassen hast.
Nun bist du tod, und meine Arme können dich nie mehr halten.

Fehlt mir eine Hand???
Ich kann dich nicht mehr berühren, deine Haut, durch deine Haare
wuscheln. Wie am letzten Abend, als ich nachts noch mal in dein
Zimmer um dir einen GUTE-NACHTKUSS auf die Stirn zu drücken.
Wie kalt war deine Stirn, als ich sie zum Abschied ein letzes
Mal küßte, sie streichelte.
Heute lege ich meine Hand auf deinen Grabstein und wenn die
Sonnen ihn beschienen hat ist er wirklich war, dann erscheint
es mir wieder ganz unwirklich das ich mich damit begnügen muß.

Fehlt mir ein Auge???
Ich kann dich nicht mehr sehen. Überall suche ich dich. In jedem
dreizehn jährigen schlacksigen Jungen glaube ich dich wieder zu
erkennen. Wenn ich mit Daniel und Judith einkaufen gehe denke
ich was hättest du jetzt wohltragen wollen. Was hättest du
rigoros abgelehnt zu tragen.
Ich vermisse deinen Widerstand so sehr.

Fehlt mir ein Ohr???
Ich kann dich nicht mehr hören. Nie wieder wirst du um die Ecke
schießen und mich erschrecken wollen und anschließend in volles
Gelächter ausbrechen. Nie wieder werde ich dich weinen hören
weil du dich heftig mit deinen Geschwistern gezankt hast.
Noch habe ich deine Stimme im Ohr. Doch wann ist sie in meiner
Erinnerung verklungen?=

Was ist mit meinen Lippen???
Ich kann nicht mehr zu dir sprechen. So vieles wollte ich dir
noch sagen! So viel Ungeklärtes ist zwischen uns geblieben!
Wir haben keine Chance mehr bekommen. Immer noch rede ich mit
dir, aber du kannst mir keine Antworten mehr geben.
Wann habe ich dir das letzte Mal gesagt das ich dich liebe
meine Kind?

Was ist mit meiner Nase???
Ab und an rieche ich an den Dingen, die mir von dir geblieben
sind. An deinem Schlafanzug ... der Geruch ist flüchtig, bist
du das noch? Wenn ich deinen Sachen in Armen halte habe ich
das Gefühl das du bei mir ist. Aber eigentlich brauche ich das
gar nicht zumachen denn du bist immer bei mir. Tief in meinem
Herzen.

Was ist mit meinem Verstand???
Manchmal kann ich nicht klar denken. Meine Gedanken drehen
sich im Kreis. Sie sind immer noch frei, aber nicht losgelöst
von meiner Tauer. Die Zeiten wo ich denke, das denke ich
weiß nicht mehr weiter und falle immer tiefer, werden langsam
weniger. Doch mein gesunder Menschenverstand hat nun eine
lange Narbe.

Was ist mit meinem Herzen???
Es schmerzt, es schmerzt unendlich. Mir ist als hätte jemand
ein Stück herrausgeschnitten. Das tut weh, so weh.

Und meine Seele???
Sie ist zersplittert, verletzt. Ich habe einen Schicksalschlag
erlitten, aber es war nicht Gott der mir mein Kind nahm.
Nein, es war ein Mensch.
Ein Mensch ... der sich über die Konsequenzen seiner
Tat nicht bewußt wird.
Ein Mensch ... der zu feige ist zu seiner Schuld zu stehen.
Mein Vertrauen in die Menschen hat einen schwerern Schaden
genommen.
Wie soll meine Seele sich jemals erholen ?

Ich fühle mich amputiert. Was mir fehlt, das ist mein Kind.

(c) in Anlehnung an Helene L., Mutter von Monika

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