Donnerstag, 23. August 2007

Mami

Ich ging zum Konfirmandenunterricht, Mami, und dachte an Deine Worte. Du hattest mich morgens gebeten, auf mich aufzupassen, und so wollte ich es tun. Ich fühlte mich ganz stolz, Mami, genauso, wollte unabhängig und dir keine Last sein. Ich habe doch aufgepasst, Mami. Auch wenn die anderen was anderes sagen, sagen ich hätte es nicht getan ich weiss, dass ich es richtig gemacht habe, Mami.

Der Unterricht war zu Ende, und alle gingen nach Hause. Als ich in den Bus stieg, Mami, wusste ich, dass ich heil nach Hause kommen würde: Auf Grund Deiner Erziehung, immer verantwortungsvoll und richtig. Ich saß vorne beim Busfahrer, Mami und schaute gemeinsam mit ihm auf die Strasse. Aber der andere Fahrer sah mich nicht und sein Wagen traf mich mit voller Wucht. Als ich auf der Strasse lag, Mami, hörte ich den Polizisten sagen, der Mann sei zu schnell gefahren.

Und nun bin ich der jenige, der dafür büßen muss. Ich liege hier im Sterben Mami. Ach bitte, komm doch schnell. Wie konnte das passieren? Mein Leben zerplatzt wie ein Luftballon.

Ringsherum ist alles voller Blut, Mami, das meiste von mir. Ich höre den Arzt sagen, Mami, dass es keine Hilfe mehr für mich gibt. Ich wollte Dir nur sagen, Mami, ich schwöre es, ich habe wirklich aufgepasst. Es war der andere, Mami, der hat einfach nicht nachgedacht. Er war wahrscheinlich im Gespräch mit seinem Sohn versunken, Mami. Der einzige Unterschied ist nur: Er ist zu schnell gefahren und ich werde sterben. Warum müssen die Menschen immer rasen, Mami? Haben sie keine Zeit ? Es kann das ganze Leben ruinieren.

Ich habe jetzt starke Schmerzen, wie Messerstiche so scharf. Der Mann, der mich angefahren hat, Mami, läuft herum und ich liege im Sterben. Sag meinem Bruder und meiner Schwester, dass sie nicht weinen sollen, Mami. Und du sollst auch tapfer sein. Und wenn ich dann im Himmel bin, Mami, schreibt "Mami's Sonnenschein" auf meinen Grabstein.

Jemand hätte es ihm sagen sollen, Mami, nicht so schnell zu fahren an dieser Stelle! Wenn man ihm das gesagt hätte, Mami, würde ich noch leben.

Mein Atem wird kürzer, Mami, - ich habe große Angst. Bitte weine nicht um mich, Mami. Du warst immer da, wenn ich Dich brauchte. Ich habe nur noch eine letzte Frage, Mami, bevor ich von hier fortgehe: Ich habe doch alles richtig gemacht und aufgepasst, warum bin ich der jenige, der sterben muss?

(c) 2007 Claudia Staemmler für meinen Simon, den ich unendlich vermisse seit 667 Tagen

1 Kommentar:

crosa hat gesagt…

Ich habe jetzt lange überlegt ob ich schreiben soll oder lieber nicht. Ich kann nichts sagen oder schreiben was den schmerz oder die Trauer nehmen würde. Ich kann nur berichten dass ich Tränen in den Augen habe nachdem ich diese Zeilen gelesen habe.

Die Unfassbarkeit eines Todesfalles ist nicht erzählbar oder vermittelbar, leider nur erlebbar. Mein Kollege hat es heute vor einem Jahr überlebt, obwohl er schon für Tot erklärt war. Ich kann nicht mahl erahnen wie schwer es sein muss ein Kind zu verlieren, ich kann mich nur an diese wenigen Minuten erinnern in denen ich versucht habe zu begreifen dass dieser Mensch jetzt tot sein soll.