Die ganze Zeit seit Simons Unfall am 25. Okt 2005 hatte ich das Gefühl das man mir nicht so ganz die Wahrheit gesagt hat, über den Tod meines Sonnenscheinchen. Immer wieder hatte ich einen seltsamen Traum ... ich traf Simon und er weinte, erzählte mir wie schrecklich dieser Unfall für ihn gewesen ist. Ich weiß nicht ob es wirklich eine Begegnung mit Simon war oder mein brodelndes Unterbewußtsein. Also beauftragte ich meinen Anwalt mit der Beschaffung des Berichtes des Notarztes ... das kann dauern sagte er mir.
Zwischenzeitlich war mir beim erneuten Durchlesen der Trauerkarten (ich habe sie alle behalten ...) die Visitenkarte der Notfallseelsorgerin in die Hände gefallen. Ich rief dort an und bat um einen Gesprächtermin. Mit vielen gemischten Gefühlen fuhr ich dort hin. Nach anfäglichem rumgedruchse rückte die liebe Frau dann so langsam mit der Wahrheit (ich vermute das es immer noch nicht die ganze Wahrheit ist !!!) heraus.
Mein Sonnenschein war nicht SOFORT Tod wie man mir Anfangs glauben gemacht hatte ... aber genaueres wüßte sie auch nicht.
Vollkommen aufgelöst fuhr ich nach Hause. Da waren sie wieder ... all die Fragen in meinem Kopf, "Hat er geweint?" "Hat er nach seiner Mama gerufen?" "Warum ist er einfach über die Strasse gelaufen?" und und und ...
Ich viel und falle noch immer in ein tiefes Loch, eine bis dahin vor sich hinplätschernde Erkältung wirft mich momentan total um.
Was nun ???
Diese Frage wird mir am nächsten Tag gleich beanwortet. In der Post liegt das Rekonstuktions-Gutachten auf das wir seit nun 10 Monaten warten ...
Zur Erinnerung: Simon lief hinter dem Bus über eine Landstrasse. Dort ist es Autofahren erlaubt 100 km/h zu fahren. Inzwischen ist diese Haltestelle aber entfernt worden, zum Teil weil ich mit dem WRD Fernsehen dort einen Bericht drehen wollte.
Im Gutachten steht das dem Autofahrer keine Schuld nachzuweisen ist und nach allen Betrachtungen (FUßGÄNGERWURFWEITE ect.) er höchsten 70 - 80 km/h gefahren ist.
In unserem Gesetzt wird halt immer noch deutlich unterschieden ob Linienbus oder Schülerbus. An einem Schülerbus darf man nämlich nur mit Schrittgeschwindigkeit vorbei fahren. Den letzten Satz im Gutachtens empfand ich allerdings als wirklich schlimm.
Der Gutachter schreibt allen ernstes das auch zu Gunsten des Autosfahres bedacht werden sollte, das um 17.30 Uhr keine aussteigenden Schüler zu erwarten seinen. Eine Frecheit wie ich finde ... Menschenleben ist doch Menschenleben oder etwa nicht. Mal ganz abgesehen von der Tatsache das ich das Gutachten am liebsten mit angestrichenen Rechtschreibfehlern und ein Bemerkung zum letzten Satz zurückschicken würde.
Ich habe unter den Trauerkarten ein Schreiben eines Anwohners gefunden der schrieb das seine Tante vor ein paar Jahren unter denselben Umständen dort ums Leben gekommen ist. Klasse! Hat der deutschen Bürokratie ein Menschenleben also nicht gereicht, echt traurig.
Bis heute hat sich der Autofahrer nicht bei uns gemeldet. Aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht mache ich das ja ... ich weiß es noch nicht.
Und als ob das alles noch nicht genug ist, haben Menschen das Windspiel das ich für Simon aus Italien mitgebracht habe gestohlen.
Ich bin unten ... ganz unten, was sind das nur für Menschen unter denen wir leben ...
Wo ich vorgeschrieben bekomme wieviel und was ich ertragen kann ???
2 Kommentare:
Das frage ich mich schon sehr lange...unter welchen Mitmenschen wir leben und leiden müssen. Nein, nicht alle...das wäre den Ausnahmen gegenüber unfair. Aber wie tief muss ein Mensch sinken, dass er/sie es nötig hat etwas von einem Grab zu stehlen? Ein Ort, der nicht nur für Dich, für die Angehörigen, Freunde mehr als 'nur' ein Grab ist?
Warum bekommt jemand keine Strafe, weil er ja 'nur' an einem Linienbus zu schnell vorbeigefahren ist??
Warum musstest Du überhaupt solange auf das Unfallgutachten warten?? Haben die Menschen, die solche Gutachten schreiben, selbst Angehörige, die sie lieben?? Können sie sich nicht vorstellen, wie es sich anfühlt eine solch lange Zeit auf ein 'Gutachten' zu warten? Können sie sich ausmalen, welchen Schmerz ihre Worte hervorrufen? Warum schützt man die Täter und nicht die Opfer? Warum muss es überhaupt Opfer wie Simon geben, wenn es an gleicher Stelle bereits schon einmal zu einem tödlichen Unfall gekommen ist??
Soviele Warum hier und in meinem Kopf auf die es wahrscheinlich nie Antworten geben wird...
Lieben Gruß
Claudia
was ich nicht verstehe ist, das du den Notarztbericht nicht einfach einsehn kannst.
Als Patient hat man das Recht, seine eigene Akte uneingeschränkt einzusehn oder gegebenenfalls zu kopieren. Ich spreche da aus eigener Erfahrung. Nach meinem Unfall Anfang 2000 haben mein Kollege und ich die Bilder vom Unfallort haben wollen. Unser Anwalt hatte sie. Er meinte nur er dürfe sie nicht aus der Hand geben. Also haben wie ihn kurzerhand in den nächsten Copyladen geschleift und die "komplette" Akte kopiert.
In diversen Krankenhäusern versuchen die Ärzte die Akte nicht einsehnzulassen, einfach nicht locker lassen.
Am Anfang in der klinik dachte ich noch nichts vom Unfallgegner haben zu wollen, jedoch auch er meldete sich nie. Beim Prozess wo wir noch nicht mal anwesend waren, ( der termin wurde ohne unser Wissen einfach vorverlegt) bekam er 40Tagessätze a´80DM...
Mein Kollege hat alles akribisch gesammelt, ich am Anfang auch. Vor kurzem habe ich alles weggeschmissen. Ich werde auch so jeden Tag daran erinnert.
Bin jetzt erstmal 4 Wochen weg. Dänemark.
Ich denk an euch.
Wenn ihr eine Karte haben möchtet,
schreib mir doch bitte deine Adresse per Mail.
Bin leider nicht mehr bei mir zuhause.
Liebe Grüsse
Tom
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