Montag, 13. März 2006

Der Tag der sich einbrannte in meine Seele ...

Nachmittags am 25.10.2005, drei Tage nach meinem vierzigsten Geburtstag, klingelte an meinem Arbeitsplatz das Telefon.Simon rief von seinen Großeltern aus an: "Mama du brauchst mich nach dem Konfirmandenunterricht nicht abzuholen ich fahre mit dem Bus da ich nicht weiß ob Magickartentreff ist oder nicht." Ich hatte ein ungutes Gefühl und sagte noch: "Ist doch kein Problem ich muß doch eh deine Schwester noch vom Training abholen. Hast du dein Handy dabei?". Er sagte,nein und das er trotzdem lieber mit dem Bus fahren würde. Da ich gerade mitten im Stress stecke warf ich mein ungutes Gefühl über Bord und sagte nur "Ja okay dann bist später".
Ich machte pünktlich Feierabend und hatte die ganze Zeit eine seltsame Unruhe in mir. Auf dem Weg von Aachen nach Hause auf der Autobahn fing ich an zu überlegen, fährst du über Jülich und schaust ob du Simon findest oder direkt nach Hasselsweiler.
Seltsamerweise überlegte ich ungewöhnlich lange an diesem Gedanken, fuhr dann aber doch direkt nach Hause ... es war 17.00 Uhr.
Zu Hause packe ich etwas für den Ebayversand ein und brachte die geliehen Gläser und das leere Faß Bier von der Geburtstagsfeier ins Auto, das wollte ich alles noch schnell auf dem Weg nach erledigen um meine Tochter abzuholen, 17.20 Uhr.
Als ich vor dem Trainigsraum auf meine Judith wartet wurde ich immer nervöser, um Punkt 18.10 Uhr machte mein Herz einen kleinen Satz und ich schaute lange auf die Uhr. Dann machte ich mich mit meiner Tochter auf den Weg nach Hause.
Hinter Mersch war die L241 komplett gesperrt und ich sagte noch zu Judith "Oh mein Gott da muß ein schwerer Unfall passiert sein". Zu Hause angekommen rief ich sofort nach oben "Ist Simon zu Hause ?" Eine nuschelige Antwort so rief ich nocheinmal "Ist Simon zu Hause ?" "Nein" kam die Antwort von Daniel, meinem ältester Sohn.
Ich war total nervös, ging zum Wintergarten ... dort war mein Lebensgefährte die Fenster am abdichten. "Simon ist noch nicht da ich mache mir Sorgen, am Abzweig Hasselsweiler ist ein schwerer Unfall passiert da ist die Strasse komplett gesprerrt". Er anwortete:" Mach dir keine Sorgen der Simon ist 13 der kann schon Bus fahren".
Ich probierte es auf seinem Handy, ich hatte ganz vergessen das er ja gesagt hat er habe es nicht dabei. Nur seine Stimme auf dem Anrufbeantworter. Dann rief ich meine Eltern an und fragte ob sie wüßten das Simon später nach Hause kommen wolle. Sie verneinten.
Plötzlich hörte ich Geräusche vor der Haustüre und lief hin dachte bei mir Simon kommt nach Hause. Ich öffnete die Türe und sah ein Polzeiauto und eine anderen Wagen vor der Türe halten. Himmel die wollen zu uns !
Ich machte die Türe zu wollte es nicht wahr haben ... Es klingelt.
Mit einem extrem flauen Gefühl im Magen mache ich die Türe auf: "Frau Staemmler ?" Ich anworte leise.: "Ja". "Dürfen wir kurz hereinkommen ?" Ich erkenne hintern den beiden Polizisten eine Frau ... Notfallseeldorger steht auf der Leuchtjacke die sie an hat.
Ich weiß was sie mir sagen wollen ... will die Zeit anhalten, NEIN SAGT es bitte nicht. Doch dann der Satz den ich nie im Leben vergessen werde: " Frau Staemmler wir müssen ihnen leider mitteilen das ihr Sohn Simon tödlich verunglückt ist".
Die Welt steht still ... in mir rast alles, mir ist schlecht, meine Beine werde weich ... ich muß mich setzten.
"Nein, nein, nein ... " höre ich mich stammlen. Mein Lebensgefährte ist da, hält mich mit Tränen in den Augen. Ich höre mich fragen wie ist es passiert. Die Polizisten erzählen das Simon hinter dem Bus über die Strasse gelaufen ist und von einem Auto erfaßt worden ist. Dann fragen sie mich ob ich einen Arzt brauche ... mein Lebensgefährte nickt. Die Seelsorgerin setzt sich zu mir, nimmt meine Hand. Ich frage sie ob er leiden mußte, ob er geweint hat und und und ... sie erzählt das Simon das Bewußtsein nicht wiedererlangt hat und wohl sofort Tod gewesen sein muß, Todesuhrzeit 18.10 Uhr ... als mein Herz einen Sprung machte.

Ich rufe meine Eltern an und sage ihnen nur "Bitte kommt sofort nach Hasselsweiler".

"Wo ist mein Junge" höre ich mich fragen, die Beamten sagen das er vom Bestattungsunternehmen auf den Friedhof gefahren worden ist, da der Leichnam sofort von der Staatsanwaltschaft frei gegeben worden sei. Diese Worte kann ich nicht verstehen, was heißt
freigegeben ? Nur das Wort Friedhof verstehe ich.
Der eingetroffene Notarzt kümmert sich um mich ... mein Blutdruck ist extrem hoch. Ich nehme alles nur durch einen Nebel war.
Meine Eltern treffen ein, ich sage ihnen das Simon tod ist. Meine Mutter weint und mein Vater bekommt eine Herzattake ... der Notarzt möchte ihn in die Klinik einliefern ... okay. Meine Schwester kommt noch, alles weint ... ich sitze steif auf dem Sofa und starre vor
mich hin.
Später gehen alle ... das Blutdruckmittel wirkt immer noch nicht, alles rast, meine Gedanken schreien "Simon, Simon, Simon ...".
Die
Nacht ist für mich früh zu Ende.
Ich hole die Zeitung rein, suche den Bericht und finde ihn ... das BILD ist schrecklich. Ein total zerbeultes Auto ... das AUTO das kenne ich doch ... ja diese Auto ist mir schon mal aufgefallen, als er mich üerbholte hat in einer Ortschaft, viel zu schnell. Damals lief mir ein Schauer über den Rücken.
Vorahnungen ... ich hatte viele, aber man kann diese zusammenhangslosen Puzzelstücke nicht

zu einem Bild zusammenfügen.
Bekannte stellen ein Strassenkeuz auf, ich kann aber erst zwei Tage später hin gehen.
Der Ort hat etwas seltsames ....


Ich habe dafür gekämpft das diese Haltestelle entfernt wird und siegte erst als ich mit den Medien (Fernsehen) drohte. Nun ist sie weg und kein Kind wird dort sein Leben lassen müssen. Für meinen Sohn ist es nur leider zu spät.
Das Kreuz steht immer noch dort, ich besuche es oft ... ist es doch die Stelle an der mein Sonnenschein seine letzen Lebenminuten verbringen mußte, ich fühle mich ihm dort nah ... auch wenn die Autos immer noch mit weit mehr als 100 km/h dort entlang rasen.
Es soll ein Mahnmal sein ... vor allem für den Autofahrer, der sich bis heute noch nicht bei mir gemeldet hat.

4 Kommentare:

Gerd hat gesagt…

Es weht der Wind ein Blatt vom Baum, von vielen Blättern eines.
Das eine Blatt, man merkt es kaum, denn eines ist ja keines.
Doch dieses eine Blatt allein, war Teil von unsrem Leben.
Drum wird uns dieses Blatt allein, für immer, immer fehlen.

von Hermann Hesse
(Gerd)

diekleineHexe hat gesagt…

Hallo Zauberfrau!
Mit Tränen in den Augen habe ich gestern deinen neuen Eintrag gelesen! Sicherlich ist es immer da, der Gedanke, dass Simon nicht mehr da ist, das ein Teil eures Ganzen weg ist. Ein Schmerz der einen immer wieder überfällt ohne Vorankündigung, plötzlich da ist und einem die Luft zum Atmen nimmt. Dann schleicht er sich weg, wie ein Mensch der weiß, dass er etwas falsch gemacht hat... Lässt einen kurz aufatmen und dann ...
Wie ich deine Zeilen gelesen habe, hatte ich wieder den 25. Oktober vor Augen - 22:30 Uhr deine Schwester ruft an und teilt mir mit: Es ist was ganz schreckliches passiert. Mein erster Gedanke galt deinem Vater - Oh Gott dachte ich! Und dann ich weiß nicht waren es Sekunden oder Minuten, ich weiß es nicht, später - Simon ist tot!!!
Stille- endlos lange Stille - ich weiß nicht wie lange ich da so gestanden hab, im Arbeitszimmer mit dem Hörer in der Hand. Ich muss geschrieen haben, denn auf einmal stand Bernd in der Tür.
Unfassbar, damals wie heute!!!
Ich konnte und wollte es nicht glauben. Wir, Bigi und ich, haben dann ich weiß nicht wie lange miteinander gesprochen und ich konnte es einfach nicht fassen.
Am nächsten Tag bin ich dann ja sofort nach der Arbeit zu DIR!
Ich sehe dich noch vor mir sitzen mit der Bitte dich aufzuwecken und dir zu sagen, dass es nur ein Traum gewesen ist. So gerne würde ich dich wecken und dir sagen: Es war nur ein böser Alptraum, doch leider...
Ich weiß nicht wie viel ein Mensch ertragen kann, ich weiß nie wie man mit der Situation umgehen soll, ich weiß nur, dass ich für dich da sein möchte! Kethe, die selber ihre Tochter durch einen Verkehrsunfall verlor sagte mir, dass es wichtig sei da zu sein, auch wenn es so aussieht als wenn man nichts ausrichten könnte. Ihre Tochter ist schon viele Jahre tot, damals habe ich das gar nicht richtig wahrgenommen, meine Eltern haben mich immer vor allem beschützt und ich kann mich gar nicht daran erinnern. Manchmal, wenn ich bei meiner Großtante mit ihr zusammensitze erzählen wir von früher und als Simon starb, haben wir wieder beisammen gesessen und erzählt. Sie hat sich jahrelang die Schuld gegeben, 10 Jahre so sagt sie hat sie gebraucht um damit Leben zu können. Vergessen kann man nicht, nur versuchen damit zu Leben. Oft kasteit man sich selber, weil man denkt es steht einem nicht zu auch mal wieder lachen zu dürfen, doch wären eure Kinder dann nicht erst recht traurig? Ich denke sie wünschen sich, dass ihr auch, wenn immer mit einem weinenden Auge, wieder schöne Augenblicke genießen lernt. Es ist sicher schwer, ich weiß nicht, ob ich es je schaffen könnte...
Deshalb seid Ihr (Kethe und du, meine liebe Claudia) die WAHREN HELDINEN für mich.
In Gedanken bei DIR!
Deine Freundin Helena

DK hat gesagt…

Hallo Claudia!
Dir ist das un-vorstellbare passiert. Das, was man sich nicht vorstellen mag, weil es einem das Eltern-Sein unmöglich machen würde. Das, was man verdrängt, weil "es schon nicht passieren wird". Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Und jetzt mußt Du, müsst Ihr damit leben. Dein Mail vom Oktober war ein Schock auch für mich, für uns. Simon, dieser energiegeladene kleine Mensch, der oft nicht wusste wohin mit all dieser Kraft, der soll plötzlich nicht mehr sein? In Deine Familie ist ein Loch gerissen, wo es einfach kein Loch geben darf, wenn es gerecht zugehen soll in dieser Welt.
Wie oft hast Du schon grosse und kleine Schläge hinnehmen müssen, doch dies geht über all das so unvorstellbar weit hinaus.
Ich hoffe, dass Du einen Weg aus der Stille findest, in der Du momentan gefangen bist.
Detlef

LS hat gesagt…

unfassbar, ich weiß nicht so richtig was ich schreiben soll. wahnsinnig bewegend - mein tiefstes Beleid! :(